Kick-Off-Marathon im Herbst
Zwischen Wochen der Wahrheit, ausfallenden Spielen und Kick-Off-Rekorden
Von den Top-Klubs der Bundesliga werden pünktlich zu Beginn der grauen Jahreszeit das erste Mal die berüchtigten Wochen der Wahrheit ausgerufen — meist gerade von den Vereinen, die mit ihrem Saisonstart… naja… nicht ganz so zufrieden sind, aber immer noch nicht unzufrieden genug, den Trainer bei herbstlichem Wind und Wetter vor die Tür zu setzen. Gerade in den sogenannten Englischen Wochen mit bis zu drei Spielen in sieben Tagen (oder sieben Spielen in 21) kann das Klima schnell ungemütlich ausschlagen.
Von Englischen Wochen sind Vereine in den landesweiten Kreisligen weit entfernt und die Wochen der Wahrheit werden allenfalls für den eigenen Rasen ausgerufen. Noch in der Sommerpause in einem vereinsweiten Arbeitseinsatz liebevoll geflickt und die Maulwurfshügel plattgewalzt (Link), sieht der Platz nach dem ersten Spiel bei Fritz-Walter-Wetter aus, als hätte die Büffelherde von Bauer Jansen ein einwöchiges Trainingslager abgehalten. Die Grätschen vom Libero der alten Schule taten ihr Übriges. Durch ausfallende Trainingseinheiten und Spiele von jenen Eisenstollen unberührt, fallen Anfang Oktober die goldgelben Blätter von den umstehenden Bäumen. Und verleihendem Blick auf den Platz eine Melancholie, die sich niemand gewünscht hat: Der Sommer endet hier.
Allerdings: Wenn die Spiele doch stattfinden — was macht mehr Spaß als eine gelungene Grätsche auf nassem Rasen, bei der man Grasnarbe und Eichenblätter teilt anstatt der Bänder des Gegenspielers?
Kick-Off in Dallgow
In Berlin regnet es am vergangenen Wochenende so stark, dass die Berliner S-Bahn teilweise den Verkehr einstellt — gut, das tut sie im Winter schon präventiv nach dem Wetterbericht der Tagesschau am Vorabend. In Dallgow allerdings, unweit der Berliner Stadtgrenzen, zieht die monsunartige Regenfront am Samstag vorbei, stattdessen bricht hier ein veritables Sammelfieber aus.
Im örtlichen Rewe J. Heimbrodt passiert eher Ungewöhnliches: Kinder, Jugendliche, Erwachsene stehen in Trikots und Trainingsanzügen des SV Dallgow an den Kassen. Auf dem Kassenband nicht die Zutaten für den sonntäglichen Braten, sondern Stickeralben und Stickerpacks. Kinder reißen letztere auf und jubeln frenetisch, wenn sie das eigene Foto auf dem Abziehbildchen entdecken. Die Tische des Supermarktcafés werden kurzerhand zu Verhandlungstischen umfunktioniert. Und bieten eine ruckelfreie Grundlage zum akkuraten Einkleben der Sticker.
Vor dem Supermarkt ist ein vereinseigener Trailer aufgebaut, auch hier bildet sich eine Schlange von sammelfiebrigen Vereinsmitgliedern, die die ersten Starterpacks ergattern wollen. So geht Kick-Off.
Stickerstars mit Kick-Off-Marathon im Herbst
Für die Stickerstars markiert der SV Dallgow 46 den Auftakt eines Kick-Off-Marathons. Mitten in die herbstliche Melancholie des Blätterfallens fällt eine Euphorie des Stickerklebens. Auch hier werden sie eben ausgerufen: die berüchtigten Wochen der Wahrheit. Was am ersten Oktoberwochenende mit zwei Kick-Offs (in Lahr und Schwerin) harmlos beginnt, lawint sich exponentiell über drei am 12. (beim SC Käfertal, SV Salamander und Olympia Ramstein) und fünf am 19. (u.a. mit dem Traditionsverein Energie Cottbus) zu ganzen acht bundesweiten Kick-Offs am 26. Oktober. Und das ist alles nur Warmmachen für den November.
Im November werden Stickerstars ihren eigenen Kick-Off-Rekord für einen Monat brechen: 55 Vereine kicken bundesweit ihr individuelles Stickeralbum. Unter ihnen das nächste Pro-Projekt mit dem Bundesligisten SC Paderborn, der FC Germania Großkrotzenburg, der sich kürzlich durch eine unglaubliche Aufholjagd (von 0-5 nach einer Stunde zum siegreichen 7-5-Wahnsinn) in die überregionale Presse kanonierte, und die Freiwillige Feuerwehr aus Bad Gandersheim.
Zumindest den Kick-Off-Regionen also wird kein goldener, sondern ein glitzernder Herbst vorausgesagt.
Foto: By Corey Coyle, CC BY 3.0